Ist das noch normal?

Nie machst Du was mit uns, immer bist Du im Internet/ hockst vor dem Computer oder der Konsole.
Interessierst Du dich gar nicht mehr für uns? Du scheinst dich mehr für dein Smartphone zu interessieren, als für alles andere.
Hast Du schon die Hausaufgaben gemacht oder sie wieder vergessen, weil Du gleich nach der Schule angefangen hast zu chatten/ am PC zu spielen?

Kommen dir diese Kommentare bekannt vor? Manchmal merkt man selber gar nicht, dass der eigene Medienkonsum problematisch ist. Viele Kinder und Jugendliche berichten, dass eher ihre Eltern die Probleme bemerken und immer wieder Fragen oder Kommentare zu ihrem Medienkonsum machen. Das ist oft nervig, kann aber ein erstes Signal für einen problematischen Medienkonsum sein. Um einer Verschlimmerung der Probleme rechtzeitig entgegenzuwirken, ist es wichtig, die Anzeichen für einen ungesunden Umgang mit Games, Social Media oder Streaming-Diensten zu kennen.

Versuch doch selbst mal aus dem Bauch heraus einzuschätzen, welche Umstände auf ein problematisches Nutzungsverhalten hinweisen könnten. Dazu möchten wir dir Oscar (15) und Lilli (13) vorstellen.

Fallbeispiel 1

Oscar (15) liebt Computerspiele. Täglich verbringt er 1,5h am Computer zum Zocken. Am Wochenende dehnt Oscar seine Spielzeiten manchmal auf 3 Stunden aus, aber nur, wenn kein wichtiges Fußballturnier oder eine Verabredung mit seinen Freunden ansteht. So sehr Oscar das Spielen auch gefällt – das „reale“ Leben darf bei ihm nicht zu kurz kommen. Zu Beginn des letzten Schuljahres spielte Oscar über eine Woche so viel, dass ihm kaum noch Zeit zum Lernen blieb und er eine wichtige Mathearbeit in den Sand setzte. Über die schlechte Note ärgerte sich Oscar sehr. Seitdem spielt Oscar erst nachmittags, wenn er alle Aufgaben für die Schule erledigt hat. Seine Noten haben sich seit dem Ausrutscher in Mathe nicht verschlechtert und sind weiterhin im grünen Bereich.

Unauffällig oder problematisch/pathologisch? Was meinst Du?

Hier kommt unsere Einschätzung:

Oscars Nutzungsverhalten ist als unauffällig einzustufen. Obwohl Oscar sehr regelmäßig spielt, kommen die Schule, seine Hobbies und Freunde nicht zu kurz. Zwar erlebte Oscar eine Episode, in der er aufgrund seines Spielverhaltens wichtige Aufgaben vernachlässigte, jedoch gelang es ihm schnell, seine Nutzungszeit selbstständig zu reduzieren und diese weiterhin unter Kontrolle zu halten. Oscar hat das Computerspielen also direkt eingeschränkt, als er bemerkte, dass es zu negativen Konsequenzen führt. Jugendlichen mit einer Gaming-Sucht ist diese Art der Kontrolle über ihr Nutzungsverhalten meistens nicht möglich.

Warum nicht problematisch/pathologisch?

Dass Oscars Schulleistungen aufgrund seiner Computerspielnutzung schon einmal in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist ein wichtiger Hinweis für einen problematischen Umgang mit digitalen Spielen. Das ist richtig! Von einer problematischen oder pathologischen Game-Nutzung spricht man jedoch erst, wenn mehrere Verhaltensauffälligkeiten (z.B. Kontrollverlust, Unruhe) und dadurch bedingte Folgen (z.B. sozialer Rückzug, Verschlechterung der Noten) über einen längeren Zeitraum zu beobachten sind. Da es Oscar gelingt, seinen täglichen Verpflichtungen nachzugehen, seine Schulleistungen nur einmalig durch das Spielen beeinträchtig wurden und er neben dem Computerspielen auch noch andere Hobbies und „reale“ Freunde hat, ist sein Nutzungsverhalten eher als unauffällig einzustufen.

Fallbeispiel 2

Schon seit sie klein ist, ist Lilli (13) im Internet aktiv. Seit einigen Monaten verbringt Lilli die meiste Zeit des Tages auf YouTube und WhatsApp, um Musikvideos zu kommentieren und mit ihrer Community zu chatten. Lilli gelingt es nicht mehr, länger als 10 Minuten ohne Smartphone zu sein. Die Angst sonst etwas in der Community zu verpassen ist zu groß. Von ihren Lehrern wurde Lilli schon häufiger das Smartphone weggenommen: Sie hatte trotz mehrfacher Ermahnung immer wieder während des Unterrichts auf ihr Handy geschaut. Hat sie ihr Smartphone nicht bei sich, wird Lilli meistens sehr unruhig und gereizt. Manchmal endet das in großen Wutausbrüchen. Deshalb geht Lilli momentan nur noch selten in die Schule. Viele Freunde haben sich von Lilli distanziert, weil sie unzuverlässig geworden ist und sich bei Treffen nur noch mit Ihrem Handy beschäftigt. Auch in der Familie kommt es häufig zu Streit. „Lilli interessiert sich einfach kaum noch für uns oder ihre Geschwister“, berichten die Eltern.

Unauffällig oder problematisch/pathologisch? Was meinst Du?

Hier kommt unsere Einschätzung:

Lilli erlebt durch ihr Nutzungsverhalten diverse Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen. Sie geht nicht mehr zur Schule und gerät zunehmend in Konflikte mit ihren Eltern und Freund:innen. Offline-Situationen lösen bei ihr unmittelbar Unruhe, Gereiztheit oder sogar Wutausbrüche aus. Trotz dieser negativen Folgen setzt Lilli ihren exzessiven Social-Media-Gebrauch weiter fort. Lillis Verhalten und die dadurch entstandenen Konsequenzen könnten darauf hinweisen, dass Lilli's Umgang mit dem Smartphone ein pathologisches (krankhaftes) Ausmaß erreicht haben könnte. Eine Diagnose kann jedoch nur ein ausgebildeter Arzt/ eine ausgebildete Ärztin stellen.

Für Lilli und ihre Familie ist es nun wichtig, sich einen professionellen Rat einzuholen, um Maßnahmen in die Wege leiten zu können, die eine Rückkehr zu einer geregelten und unbeschwerten Mediennutzung ermöglichen.